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Minijobs und Altersarmut

Bittere Armut im Alter wird zunehmen, sagen alle Prognosen. „Fast jeder vierte Beschäftigte arbeitet heute schon im Minisektor. Ein Minilohn gibt später eine Minirente“, sagt Armutsforscher Christoph Butterwegge. „Wir steuern in eine Zukunft, in der eine auskömmliche Rente selten wird.“

Dabei belegen aktuelle Zahlen schon heute, dass dieser Trend im vollen Gange ist. Wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens der Bevölkerung hat, gilt hierzulande als arm. Damit beginnt Armut bei 935 Euro. Ein männlicher Erstrentner kommt in Westdeutschland derzeit laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung im Schnitt auf 820 Euro. Im Klartext: über die Hälfte der Rentner leben bereits heute in Armut. Bei den „weiblichen Rentnern“ liegt der Anteil deutlich höher.

Hat ein Rentner weniger als 742 Euro zur Verfügung, weist die Deutsche Rentenversicherung auf die Grundsicherung im Alter hin. Diese Sozialleistung – eine Art Hartz IV für Senioren – wird nach individuellem Bedarf errechnet, Basis ist ein Regelsatz von 364 Euro. 2009 erhielten 400.000 über 65-Jährige diese Unterstützung – ein Plus von 55 Prozent binnen sechs Jahren.

„Diese Grundsicherung verhindert aber Armut nicht“, sagt VdK- Expertin Anacker. Hinzu komme, dass die große Mehrheit der armen Senioren dieses Geld gar nicht beanspruche. „Armut unter älteren Menschen existiert trotz staatlicher Hilfen und findet eher im Verborgenen statt,“ sagt die Expertin für soziale Fragen, Antje Richter. Armut schließe Senioren aus und isoliere sie.

„Es ist traurig und erschreckend, wenn alte Menschen in unseren Beratungen sagen, sie wissen nicht, ob sie das Brot oder das Medikament kaufen sollen“, erzählt Manuela Anacker vom Sozialverband VdK in Düsseldorf. Ãœber drei Millionen Rentner sind laut VdK arm oder von Armut bedroht, leben am oder unter dem Existenzminimum.

Die Rentenerhöhungen fallen seit Jahren gering aus. Eine höhere Inflation lässt die Kaufkraft sinken. Die Bundesregierung will nach der Sommerpause zur Armutsbekämpfung einen „Regierungsdialog Rente“ starten und Sozialverbände, Gewerkschaften, Arbeitgeber und die Wissenschaft beteiligen. Viele sind skeptisch. Butterwegge sieht darin eine „Show-Veranstaltung“. Probleme würden damit nicht gelöst.“ Der 79-jährige Manfred Birk sagt: „Von der Politik haben wir Rentner nichts zu erwarten,“ und spricht damit wohl vielen Rentnern aus dem Herzen, aus einem langen Leben mit viel gemachten Erfahrungen.

Das sogenannte „Jobwunder“ wird sich in den nächsten Jahren als die größte Armutsfalle in der deutschen Demokratie erweisen.

Quelle: http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/:kein-zahnersatz-kein-urlaub-die-bittere-armut-der-alten-in-deutschland/60076694.html?page=2

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